Selbstzweifel und der große Traum vom Tanzen

Eigentlich träumt der zwanzigjährige Tu von einer Karriere als Hip-Hop Tänzer, doch dann bekommt er von seinem Vater ein Ultimatum von sechs Wochen gestellt, um sich endlich einen "richtigen" Beruf auszusuchen, sonst droht ihm elterlich verordneter Armeedienst.
Als der junge Maori wider Erwarten tatsächlich zum Casting bei einer der berühmtesten Hip-Hop Crews Neuseelands eingeladen wird und dort seinem Traum immer näher zu kommen scheint, muss er sich zwischen seiner ungewissen Tanz-Karriere und seinem alten Leben entscheiden.

Nach maorischer Tradition hat immer der älteste Mann in der Familie das Sagen und so wird Tu in Vorbereitung auf sein zukünftiges Leben als Soldat jeden Morgen um vier Uhr dreißig vom Vater für die gemeinsame Sporteinheit aus dem Bett gequält. Viel zu sagen haben sich Vater und Sohn allerdings nicht, nach dem Tod von Tu´s Mutter, herrscht zwischen den beiden eine klaffende Fremdheit und Leere.

Bei einem Film im Berlinale Generation-Programm erwartet man eigentlich einen sehr konkreten Plot, aber Born to dance ist ein Tanzfilm. Dieses Genre verführt leider oft zu platten Geschichten, sodass man hofft, dass dieser Film eine vielschichtige Ausnahme sein wird.
Aber tatsächlich weist auch dieser erste Spielfilm des Regisseurs Tammy Davis viele Klischees auf, so verliebt sich Tu zum Beispiel sofort in Sascha, Tänzerinnen der K-Crew, die unglücklicherweise unter ihren Tanzkollegen schon einen sehr eifersüchtigen Freund hat.
Zwar wohnt die ebenfalls zwanzig jährige Sascha allein in einem unglaublich noblen Haus, darf aber trotzdem nur so lange sie erfolgreich ist, in Neuseeland leben bleiben, weil ihre Mutter sie eigentlich viel lieber in New York als Ballerina sehen würde und immer noch über ihre erwachsene Tochter zu bestimmen scheint, Eltern nehmen in dieser Geschichte also eine sehr herrische Rolle ein.

Tu lebt mit seinem Vater in einem der ärmeren Stadtteile South Aucklands und verdient sich mit einem Job auf einem Recyclinghof etwas Geld, dort arbeitet auch sein bester Freund, der hält sich aber auch als Dealer über Wasser, was ihn kurz vor dem großen, finalen Hip-Hop Battle ins Gefängnis bringt, auf der Bühne ist er dann aber ohne Erklärung sofort wieder mit dabei.
Diese ungeklärten Momente und oberflächlichen Klischees schmälern den Gesamteindruck des Films aber nur gering, der von schillernden Farben, mitreißender Musik und sehr beeindruckenden Tanzszenen dominiert wird.

Die zentrale, sehr nachvollziehbare und Angst einflößende Frage: "Was, wenn sein Traum vom Leben als großer Hip-Hop Tänzer nicht in Erfüllung geht?", stellt sich Tu immer wieder selbst. Sasha sagt einmal während einer Probe:"Es ist doch nur Tanzen!" doch für ihn ist es weit mehr als nur Tanzen, für ihn ist es das, was über sein gesamtes zukünftiges Leben entscheiden wird. Und mit dieser Angst und diesen Zweifeln kann sich wahrscheinlich jeder identifizieren.
Der berührendste und zugleich auch stillste Moment dieses rasanten Films findet aber zwischen Vater und Sohn statt, als diese sich endlich gegenseitig akzeptieren und ihren Frieden miteinander schließen.

Dass, wie sich im Q&A herausstellte, fast alle Rollen mit Laien (also auch keinen Tänzern) besetzt sind, merkt man den Szenen, Dialogen und vor allem den in nur drei Wochen einstudierten Tanzszenen nicht an.

Born to Dance ist ein klassischer Tanzfilm, der dieses sehr amerikanische Genre nach Neuseeland und den Zuschauer ins Bewusstsein seiner eigenen Unsportlichkeit bringt. Mit einem sympathischen Protagonisten, viel Rhythmus und der gut nachvollziehbaren Frage nach dem, was man eigentlich wirklich will und wie viel man dafür aufgeben möchte, hinterlässt dieser stürmische, für alle Altersklassen geeignete Film den Zuschauer zwar in guter Stimmung, hat aber mit seiner märchenhaft anmutenden Handlung noch nicht genug Tiefgang.
17.02.16, Hannah Kähler(Gastschreiberin)15 Jahre

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