"Sobald du entlassen bist, sind wir nicht mehr für dich verantwortlich. Du könntest dich auch direkt vor unserer Tür umbringen, es würde uns nicht interessieren."


Der iranische 14Plus Film Royahaye Dame Sobh zeigt uns das Leben straffällig gewordener junger Frauen im Rehabilitationszentrum. Sie alle haben Furchtbares erlebt und getan, erzählen freimütig der Kamera von ihren schrecklichen Schicksalen.

Vom Vater geschlagen, vom Onkel sexuell missbraucht, von der Familie nicht geliebt, verstoßen, haben sie alle ihren Weg zu den Drogen gefunden. Manche bereits schon vor vielen Jahren, obwohl sie selbst noch so jung sind.

In Einzelinterviews erzählen sie der Kamera über ihre Vergangenheit. Ein Mädchen im Hintergrund fängt bei den Erzählungen ihrer Kameradin an zu weinen. Die Geschichte sei genau die ihre, das würde sie so traurig machen.
Es wird viel geweint, die Stimmung ist trostlos und verzweifelt. Sie alle unterstützen sich gegenseitig. Sie können sich verstehen.
Sie sind hoffnungslos. Selbst wenn sie die Entzugsanstalt verlassen, haben sie keinerlei Hoffnung auf ein besseres Leben. Dann müssen sie zurück auf die Straße, zurück in die Familie, die sie misshandelt, die selber drogenabhängig ist, sich nicht um sie kümmert.

Um sich abzulenken tanzen sie, singen Lieder, spielen Puppentheater oder bauen Schneemänner im Winter. Doch allzu bald fängt eine an zu weinen, herzzerreißendes Schluchzen ist allgegenwärtig, auch auf den Gesichtern der Anderen sind Tränen zu sehen.

Sie hören Musik, die ihnen aus der Seele spricht. Der Text ist furchtbar. Er spricht davon, dass sie nichts wert sind, dass dieses Leben für sie nichts liefern kann, dass sie mit der Welt abgeschlossen haben.

Bei dem Gedanken daran, dass andere Mädchen wohl behütet aufwachsen, bricht ein Mädchen aus lauter Unglück aufgelöst zusammen.

Sie alle haben furchtbare Taten verübt. Mit Drogen gedealt, öfter geklaut, als sie sich erinnern können, Männer erstochen, sogar den eigenen Vater umgebracht. Doch so werden sie nicht dargestellt. Sie erzählen offen über ihre Taten, doch der Zuschauer sieht sie nicht als böse. Er sieht sie als Opfer ihrer Umstände, er bemitleidet sie, ist fassungslos, in welch schlimmer Situation sich die Mädchen befinden.

Unfassbar für mich war mitanzusehen, wie die Angestellten der Anstalt sich nicht im Mindesten darum scherten, was aus den Mädchen wurde. Als ein Mädchen entlassen wurde, durfte sie nicht einmal mehr einen Verwandten anrufen. Sie solle gefälligst das Gelände verlassen, damit das Heim nicht mehr für sie zuständig ist und eine Sorge weniger hat.
Tatsächlich hat auch der Regisseur keinerlei Möglichkeit, Kontakt zu den Mädchen aufzunehmen. Er weiß nicht, was aus ihnen geworden ist.

Viele der Geschichten sind trostlos, doch es gibt auch Hoffnungsschimmer. Bei einem Mädchen zeichnet sich ein gutes Ende ab. Sie war von ihrem Onkel missbraucht worden, keiner aus ihrer Familie glaubte ihr, bis sie schließlich so verzweifelt war, dass sie abhaute. Wochenlang hatte ihre Familie keine Ahnung, wo sie war, machte sich schreckliche Sorgen um sie.
Sie hatten schließlich doch bemerkt, dass sie die ganze Zeit über die Wahrheit gesagt hatte. Es ist eine wunderschöne Familienvereinigung.
Zum ersten Mal kann man in den Augen des Mädchens Freude sehen. Sie meint, sie wüsste gar nicht, was es ist, glücklich zu sein. Es sei ein ganz ungewohntes Gefühl.

Obwohl es ein Dokumentarfilm ist, hat man nicht wirklich den Eindruck, dass es sich um einen Dokumentarfilm handelt. Er ist unglaublich klug geschnitten, bietet die intimsten Einblicke und bleibt trotzdem in respektvoller Entfernung.

Royahaye Dame Sobh ist unglaublich berührend und schockierend. Man verlässt den Film mit einem sehr bedrückten Gefühl.
Dieser Film ist sehr hart, aber unglaublich gut. Man sollte sich unbedingt mit dieser Thematik auseinandersetzen. Es ist wichtig zu wissen, welch schlimme Schicksale sich fernab von Europa ereignen.
Diesen Film würde ich wirklich jedem ans Herz legen.

18.02.2016, Sarah Gosten

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