Ein Sturkopf auf der Suche nach sich selbst

Ob ein Kinofilm wirklich gut vom Publikum angenommen wird, hängt von vielen Faktoren ab. Da wäre die Auswahl der Schauspieler, die richtige Musik und vor allem das Skript. Denn um sich richtig gut in die Geschichte einfühlen zu können, muss das Gesprochene auch echt wirken. Sonst könnten die Schauspieler noch so gut sein, es würde ihnen nicht gelingen, eine greifbare Atmosphäre zu schaffen. Was in meinen Augen der eindeutige Beweis dafür war, dass bei Jamais Contente ausnahmslos alles richtig gemacht wurde? Das war nicht nur der ungewöhnlich langanhaltende Applaus. Sondern vor allem die Momente, die den kompletten Saal zum Lachen brachten. Selten hat es ein Film so grandios bewerkstelligt, mich mir meiner Lage als Teil eines Ganzen, eines einheitlichen Publikums bewusst zu machen.

Aurore ist 13 und muss eine Klasse wiederholen. Für die Schule hat sie keine Motivation, zuhause muss sie mit der Enttäuschung ihrer Eltern fertig werden und auch sonst gibt es kaum etwas, für das sie wirklich brennt. Nur ein einziger Lehrer, der an ihre Fähigkeiten glaubt, und eine neue Band mit drei gut aussehenden Jungen, die sie als Sängerin aufnehmen wollen, bleiben ihr.

90 Minuten begleiten wir Aurore (Léna Magnien) in einem Teil ihres Lebens, der den meisten im Publikum nur allzu gut bekannt vorkommt und den ganzen kleinen Berlinale-Gängern noch bevorsteht - die Pubertät. Besonders das Verhältnis zu ihren Eltern und das fehlende Verständnis zwischen beiden Parteien werden wunderbar eingefangen. Statt sich zumindest einmal gemeinsam hinzusetzen und einige Dinge auszudiskutieren, werfen sich beide Seiten ständig Dinge an den Kopf. Bei den Vorwürfen ihrer Eltern ist es kein Wunder, dass Aurore sich zuhause nicht geliebt fühlt und gern weglaufen würde. Dass nicht einmal das so richtig funktioniert, spricht ebenfalls für Aurores Verlorenheit in ihrer Suche nach sich selbst. Auch ihr Absturz bei der Silvesterparty ihrer Freundin passt ins Bild.

Vollkommen authentisch porträtiert Emilie Deleuze die Entwicklung eines Mädchens, das eine ganze Weile nichts mit sich anzufangen weiß und im Grunde genommen Glück hat, nicht in die falschen Freundeskreise zu gelangen.
Mit ihrer sehr direkten und provokanten Art ist Aurore zwar vielleicht nicht direkt sympathisch, allerdings schließt man sie als Zuschauer dennoch irgendwie ins Herz, nicht zuletzt vielleicht weil Léna Magnien es zustande gebracht hat, nicht nur die unwillige Tochter darzustellen, sondern Aurore unglaublich viele Facetten zu geben, die einem erst beim näheren Betrachten auffallen.

Jamais Contente ist ein in erster Linie unterhaltsamer Film mit viel guter Musik, der aber bei näherem Betrachten auf viele Dinge aufmerksam macht, wie beispielsweise die Verlorenheit einer Dreizehnjährigen in ihrer verständnislosen Familie, die Motivationslosigkeit, die sich leicht in den Köpfen von Jugendlichen einnisten kann und die Notwendigkeit, wenigstens eine Person zu haben, die an einen glaubt, wenn man es doch so augenscheinlich selbst nicht tut. Sehr empfehlenswert!

17.02.2016, Johanna Gosten

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen